Berlin. – Anlässlich zweier Anträge der Bundestagsfraktionen DIE LINKE. und Bündnis 90/Die Grünen führte der Bundestagsabgeordnete Gero Storjohann in einer Plenarrede vor dem Deutschen Bundestag Folgendes aus:
Wir diskutieren heute einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion zum Bau der festen Fehmarnbeltquerung. In diesen Anträgen sprechen sich beide Fraktionen gegen den Bau dieser kombinierten Straßen-Eisenbahn-Verbindung zwischen der Insel Fehmarn in Deutschland und der Insel Lolland in Dänemark sowie den damit notwendigen Hinterlandanbindungen aus. Begründet wird die Ablehung in beiden Anträgen unter anderem mit dem Ergebnis einer Studie zum Nutzen-Kosten-Verhältnis dieses Verkehrsprojekts, welches weit unter demjenigen für ein optimiertes Fährkonzept liege, weswegen letzterem aus volkswirtschaftlichen Gründen der Vorzug zu geben sei. Desweiteren wird in dem Antrag ausgeführt, dass sich die Kosten für die Brücke angesichts der sehr geringen prognostizierten Verkehrsmengen nicht über eine Nutzerfinanzierung durch Trassen-gebühren für die Schienennutzung und Mautgebühren für Kraftfahrzeuge refinanzieren ließen. Deswegen sei ein rein privatwirtschaftlicher Bau und Betrieb der festen Fehmarnbeltquerung ausgeschlossen und eine finanzielle Beteiligung des Bundes nicht zu rechtfertigen. Dies hätten auch die negativen Erfahrungen mit anderen Public-Private-Partnership-Projekten gezeigt, wie etwa die Tunnelprojekte in Lübeck und Rostock. Die Linksfraktion behauptet darüber hinaus, dass dieses Verkehrsprojekt keinen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region leiste. Soweit die Anträge.Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst einmal festhalten: Es ist erklärter politischer Wille des Königreiches Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland, die feste Fehmarnbeltquerung zu realisieren. Im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 haben sich CDU, CSU und SPD dafür ausgesprochen, sich für die Realisierung der festen Fehmarnbeltquerung als internationales PPP-Referenzvorhaben einzusetzen. Im Koalitions-vertrag zwischen der CDU und SPD in Schleswig-Holstein vom 16. April 2005 ist dieses Verkehrsprojekt als vorrangig zu realisierendes Projekt festgeschrieben. Auch CDU und SPD in Mecklenburg-Vorpommern sprechen sich in ihrem Koalitionsvertrag vom 06. November 2006 nicht grundsätzlich gegen den Bau der festen Fehmarnbeltquerung aus, lehnen jedoch den Einsatz öffentlicher Finanzmittel und die Abgabe von Staatsgarantien hierfür ab. Die Freie und Hansestadt Hamburg spricht sich ebenfalls für den Bau der Brücke zwischen Fehmarn und Lolland aus. Dänemark hat ein großes Interesse an einer raschen Anbindung nicht nur des Königreiches, sondern des gesamten skandinavischen Raumes an Deutschland und Mitteleuropa und will die feste Fehmarnbeltquerung deshalb schnell realisiert wissen. Am 21. April 2006 verständigten sich daher Bundesminister Tiefensee, der dänische Verkehrsminister, Flemming Hansen, sowie der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann, auf einen Zeitplan. Dabei ist für Entscheidung über das Projekt Feste Fehmarnbeltquerung eine erneute Bewertung verschiedener Finanzierungsmodelle vorgesehen. Die Vorbereitung der weiteren Schritte obliegt einem deutsch-dänischen Lenkungsausschuss. In den Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN) ist die feste Verbindung über den Fehmarnbelt sowie die Eisenbahnstrecken für die Anbindung in Deutschland und Dänemark in der Liste der vorrangigen Projekte enthalten. Während Minister und Parlamentarier der Großen Koalition das Projekt vorantreiben, reiben sich Linksfraktion und die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen einmal mehr an der Stärkung der Infrastruktur in der gesamten Ostseeregion. Dazu ist beiden Fraktionen nahezu jedes Argument Recht.Beginnen wir mit dem von Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion aufgestellten Argument, die feste Fehmarnbeltquerung werde genauso unwirtschaftlich sein wie der Herrentunnel in Lübeck und der Warnowtunnel in Rostock. Hier ist festzuhalten: Die feste Fehmarnbeltquerung ist mit diesen Projekten überhaupt nicht vergleichbar. Wenn man um den Fehmarnbelt herumfahren will, dann muß man einen großen Umweg über Jütland und Fünen in Kauf nehmen. Dieser nimmt nicht nur mehr Zeit in Anspruch, er ist durch die Brückenmaut am Großen Belt zwischen den Inseln Fünen und Seeland auch teuer. Zweite Alternative der Umfahrung des Belts wäre das Ausweichen über die Fährverbindung Rostock-Gedser, was ebenfalls erheblich Zeit in Anspruch nehmen würde. Diese Sachlage gibt es beim Herrentunnel und beim Warnowtunnel eben nicht: Wie in Lübeck besteht das Hauptproblem des Warnowtunnels in Rostock darin, dass es kostenlose Alternativen gibt. Sowohl Herrentunnel als auch Warnowtunnel können von den Verkehrsteilnehmern unter Inkaufnahme eines kurzen Umweges umfahren werden, was viele Autofahrer auch tatsächlich tun. Beim Fehmarnbelt ist die Sachlage hingegen eine völlig andere. Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass die Gebühr für die Fahrt über die Brücke die Kosten für die Fähre nicht übersteigen wird. Es kann also ohne längere Wartezeit der Fehmarnbelt schneller und zum gleichen Preis überquert werden. Es ist bedauerlich, dass insbesondere die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen dies anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen will. In der von Ihnen in Ihrem Antrag zitierten Antwort auf die Große Anfrage Ihrer Parteifreunde in Schleswig-Holstein wird ausgeführt, dass die Gesamtreisezeit zwischen Puttgarden und Rödby per Schiff einschließlich Einchecken und Auschecken derzeit durchschnittlich 59 Minuten beträgt. Nach der Verkehrsprognose „Fehmarn Belt Forecast 2002, Fehmarnbelt Traffic Consortium, April 2003“ würde bei einem umgesetzten optimierten Fährkonzept mit 6 Doppelend-Ro/Ro-Fähren, die eine höhere Reisegeschwindigkeit haben, eine verringerte Liegezeit in Rödbyhavn und Puttgarden vorweisen sowie bei einer Erweiterung der zum Meer führenden Fahrrinnen auf zwei Spuren im Ergebnis die Gesamtreisezeit auf 52 Minuten reduziert werden – also sieben Minuten weniger als jetzt. Mit einer festen Fehmarnbeltquerung würde die Überfahrt für einen Pkw hingegen nur circa 12 Minuten beziehungsweise für einen Lkw circa 18 Minuten dauern. Für den Bahnverkehr ist hier mit einer noch geringeren Fahrzeit zu rechnen, weil die Züge im Gegensatz zum Kraftfahrzeugverkehr keine Mautstelle zu passieren haben, da die Kosten für die Brückenpassage schon im Fahrpreis enthalten wären. Dies würde die Attraktivität der Bahn zwischen der Region Hamburg/Lübeck und der Öresundregion beträchtlich erhöhen und somit ein Plus für den Umweltschutz bedeuten. Nicht umsonst sind somit in den Leitlinien für den Aufabu des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN) neben dem Projekt als solchem auch die Schienenhinterlandanbindungen in der Liste der vorrangig zu realisierenden Vorhaben enthalten. Der Ausbau des gesamten Schienenweges über den Fehmarnbelt kann daher als grenzüberschreitendes Projekt von den TEN-Mitteln profitieren. In ihrem Antrag behauptet die Linksfraktion ferner, eine feste Fehmarnbeltquerung würde keinen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region leisten; positive wirtschaftliche Effekte würden allenfalls überwiegend in der Bauphase erwartet. Eine vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem dänischen Transport- und Energieministerium in Auftrag gegebene Studie vom Februar 2006 zeichnet hier ein vollkommen anderes Bild. Diese Studie hat die dynamischen und strategischen Effekte einer festen Verbindung über den Fehmarnbelt für den Kreis Ostholstein und Storströms Amt auf Lolland untersucht. Diese beiden Regionen sind heutzutage im jeweiligen Land etwa anderthalb Stunden von einer dynamischen Metropole – Kopenhagen beziehungsweise Hamburg – entfernt. Eine feste Fehmarnbeltquerung werde zukünftig die Situation dahingehend verändern, dass die beiden Regionen in der Mitte von zwei Metropolen liegen. Dadurch, so die Studie, entstünden neue Herausforderungen für die ökonomische Entwicklung beider Regionen. Der einfachere Marktzugang und die Möglichkeiten einer verbesserten Kooperation seien dabei besonders hervorzuheben. Die Studie von „Copenhagen Economics & Prognos“ kommt dabei zu folgenden Ergebnissen: 1. Das Baugewerbe werde in der Bauphase der Fehmarnbelt-Verbindung einen Aufschwung erleben. 2. Im Tourismus, in dem schon heute beide Regionen besondere Stärken hätten, werde die feste Verbindung sowohl das Marktpotential als auch die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konkurrierenden Standorten verbessern. 3. Im Exportbereich sei insbesondere ein Wachstum für kleine und mittelständische Unternehmen sowie für herkömmliche Waren und Güter sowohl in bestehenden als auch in neuen Märkten zu erwarten, wenn die verbesserte Infrastruktur zu einer Reduzierung der Exportkosten führe. 4. Im Cluster Gesundheitswirtschaft/ Medizintechnik ermögliche die feste Verbindung Storströms Amt und Kreis Ostholstein, sich gegenseitig zu ergänzen und so die Wettbewerbsfähigkeit in beiden Regionen zu steigern.Dies alles zeigt: Die feste Fehmarnbeltquerung bringt erhebliche Vorteile. Wir dürfen und wir werden uns der Zukunft daher nicht verschließen, wie es die Linksfraktion und die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit ihren Anträgen heute zum Ausdruck bringen. In den Ausschussberatungen werden wir hierüber noch zu sprechen haben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt die Vorstellungen der Linksfraktion und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zur festen Fehmarnbeltquerung, wie sie in den uns jetzt vorliegenden Anträgen zum Ausdruck kommen, ab.