Sechs Sitzungen der „Großen Runde“ der Koalitionsverhandlungen liegen nun hinter uns. Die heutige Sitzung beschäftigte sich mit Berichten aus den (Unter-) Arbeitsgruppen „Arbeit und Soziales“, „Familie, Frauen und Gleichstellungspolitik“, „Kultur und Medien“ sowie „Digitale Agenda“.
In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hat die Frage der Sicherung der Fachkräftebasis – mit Blick auf Ältere, Frauen und qualifizierte Zuwanderer – eine wichtige Rolle gespielt. Mit mehr Anstrengungen und Angeboten für ein lebenslanges Lernen und Weiterbildung wollen wir hier ebenso Akzente setzen, wie mit besseren Teilzeit-Möglichkeiten für junge Eltern. Einig sind wir uns darin, den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern. Zugleich werden wir bei notwendigen Regelungen – gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen – die Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten.
Beim Mindestlohn bleiben Startpunkt, erstmalige Festsetzung und Differenzierungsmöglichkeiten sowie Auslauf-Fristen für laufende Tarifverträge weiterhin streitig. Hinsichtlich der Zusammensetzung einer Mindestlohn-Kommission sowie möglicher Schlichtungsprozesse konnten wir jedoch einen tragfähigen Kompromiss erzielen. Dabei haben wir darauf bestanden, dass die Tarifpartner hier die entscheidende Rolle spielen und wir damit an das bewährte und erfolgreiche Prinzip der Lohnfindung der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften anknüpfen.
Gemeinsam wollen wir, dass sich Lebensleistung und langjährige Beitragszahlung in die Sozialversicherungen auszahlt. Hierfür haben wir eine „solidarische Lebensleistungsrente“ in den Blick genommen. Ebenso wollen wir für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungsleistung in der Alterssicherung besser berücksichtigen. All dies bedarf aber einer gesicherten Finanzierung, die wir zuvor zu prüfen haben. Gleiches gilt für Fragen der Generationengerechtigkeit, die ebenfalls Maßstab unseres Handelns bleibt.
Auf dem Feld der Familien-, Frauen- und Gleichstellungspolitik haben wir uns darauf verständigt, wie der Anteil weiblicher Führungskräfte in Deutschland zu erhöhen ist. Im Sinne des in unserem Regierungsprogramm genannten Modells sollen danach Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden, eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent aufweisen.
Ebenfalls vereinbart haben wir eine Weiterentwicklung des Elterngeldes zum „ElterngeldPlus“, mit dem für die Dauer von bis zu 28 Monaten die bestmögliche Inanspruchnahme des Elterngeldes in Kombination mit einer nicht geringfügigen Teilzeittätigkeit ermöglicht werden soll. Damit wollen wir den Wiedereinstieg, vor allem für Alleinerziehende, erleichtern. Auch dies war ein wichtiger Punkt in unserem Wahlprogramm.
Weitere Themen, die heute diskutiert wurden, waren in der Kultur- und Medienpolitik unter anderem die kulturelle Teilhabe für jeden Einzelnen in allen Lebensphasen – unabhängig von seiner sozialen Lage und ethnischen Herkunft. Wichtige Kulturprojekte von nationaler Bedeutung, wie zum Beispiel das Romantikmuseum in Frankfurt/Main, das Dresdner Residenzschloss sowie das internationale Tanzzentrum Pina Bausch wollen wir unterstützen.
Ebenso wollen wir auch das Reformationsjahr 2017 als herausragendes Ereignis der europäischen Kulturgeschichte unterstützen.
Schließlich bestand Einigkeit darin, dass das Urheberrecht in der modernen Medien- und Informationsgesellschaft eine wesentliche Rahmenbedingung für kulturelle Vielfalt und auch für wirtschaftliches Wachstum ist. Um Kreative und Urheber zu stärken und die Chancen der Digitalisierung besser nutzen zu können, soll das Urheberrecht weiter an das digitale Zeitalter angepasst werden.
Für die Zukunft unseres Landes von besonderer Bedeutung sind die Fragen der „Digitalen Agenda“. Deshalb werden wir diesem Thema erstmals ein eigenes Kapitel im Koalitionsvertrag widmen. Zentraler Inhalt soll der Erhalt des offenen und freien Internets sowie fairer Wettbewerb sein.
Bis 2018 soll in Deutschland flächendeckend eine Breitband-Versorgung mit 50Mbit/s aufgebaut werden, um schnelles Internet für jedermann zu gewährleisten und damit auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land zu stärken. Den Auf- und Ausbau von öffentlichem W-LAN wollen wir fördern.
In den Schulen wollen wir verstärkt digitale Technologie zum Einsatz bringen, damit bereits unsere Kinder die Chancen der Technik in ihrer Lernumgebung nutzen und gleichzeitig den verantwortungsbewussten Umgang mit der neuen Technik erlernen.
Große Chancen sehen wir auch in der stärkeren Nutzung der Telemedizien. Gerade in den Regionen, die besonders vom Bevölkerungswandel betroffen sind, sehen wir die Möglichkeit für eine bessere medizinische Versorgung.
Sehr konkret wird dies beispielsweise durch eine zentrale Nummer für SMS-Notrufe oder eine Notruf-App, mit der sich Menschen in einer Notsituation bemerkbar machen und Hilfe anfordern können.
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch wenn es manches Mal in den Verhandlungen der „Großen Runde“ und der Facharbeitsgruppen „knirscht“, bleibt doch unser Eindruck: Die Beteiligten auf allen Seiten wollen ein tragfähiges und funktionsfähiges Bündnis für die nächsten vier Jahre bilden. Dies ist auch heute wieder in den Berichten der Arbeitsgruppen-Vorsitzenden sehr deutlich geworden.
Unser Ziel ist es, in der letzten Novemberwoche die Verhandlungen über den Koalitionsvertrag abschließen zu können. Wir wissen, wie viel harte Arbeit bis dahin noch vor uns liegt. Entscheidend dabei ist, dass unumgängliche Kompromisse mit der SPD das in den letzten Jahren für unser Land Erreichte nicht aufs Spiel setzen, Arbeitsplätze nicht gefährdet werden, sondern Deutschland weiter kräftig vorangebracht werden kann.
Am Ende muss das Gesamtpaket auch das klare Wahlergebnis und unseren Wahlerfolg widerspiegeln. In diesem Sinne werden wir in den kommenden Tagen die Verhandlungen weiter führen.
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Gröhe MdB
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